Viele Menschen sind der Ansicht, Usability Tests seien eine große Sache und teuer obendrein. Die Folge: Die User Experience von Websites wird viel zu selten getestet. In diesem Beitrag lesen Sie, wie Sie Usability Tests ohne Budget und mit wenig Aufwand selbst durchführen können und dabei herausfinden, wie nutzerfreundlich Ihre Website ist.

Vor Kurzem führte ich zum ersten Mal in meiner beruflichen Laufbahn Usability Tests durch. Solche Tests können während des gesamten Lebenszyklus eines Produkts eingesetzt werden, um dieses zu adaptieren und zu verbessern — je früher Sie allerdings mit dem Testen beginnen und je regelmäßiger Sie es tun, umso besser. Da eine Wesbite testete, die bereits knapp vor dem Relaunch stand, war der Zeitpunkt zwar schon spät, doch ich entschied mich dennoch für die Usability Tests. Zum Glück, denn ich entdeckte noch einigen Verbesserungsbedarf.

Wie bereits erwähnt, müssen Usability Tests nicht teuer oder aufwändig sein, oft genügen schon kurze Tests zum Generieren erster Erkenntnisse. So war es auch bei mir, denn zur Verfügung hatte ich drei Dinge: Kein Budget, keine passenden Büro-Räumlichkeiten und eher begrenzte zeitliche Ressourcen. Trotzdem klappte es. Wie? Hier beschreibe ich meine Vorgehensweise Schritt für Schritt.

Usability Tests: Testumgebung und Technik

Ich testete in einer mobilen Testumgebung (Laptop und Mobiltelefon) in meiner Wohnung bzw. in Cafés in Wien — je nachdem, welcher Ort für die jeweilige Testperson am komfortabelsten erreichbar war.

Die Tests habe ich auf beiden Geräten per Software aufgezeichnet. Den Laptop und das Mobiltelefon stellte ich zur Verfügung, um vorinstallierte Software nutzen zu können.

Gratis-Software für Usability Tests

Die Tests am Laptop führte ich mit der Gratis-Software Silverback3 durch, die gleichzeitig den Bildschirm aufzeichnet und die Testperson über die im Laptop integrierte Kamera filmt. Die Software hatte ich zuvor auf dem Test-Laptop installiert und konnte sie problemlos starten.

Für die Tests auf dem Mobiltelefon nutzte ich eine Testversion der Software Reflector, die das Handy-Display auf den Laptop-Bildschirm überträgt. Dabei müssen Laptop und Handy mit demselben WLAN verbunden sein. Mithilfe der Screen-Capturing Software Filmora Scrn zeichnete ich auf dem Laptop auf, was die Testperson auf dem Mobiltelefon macht. Die Software nimmt gleichzeitig über die im MacBook integrierte Kamera das Gesicht der Testperson auf — die Person muss also direkt vor dem Laptop sitzen.

Die Software-Lösungen und das Setup für die Usability Tests basieren auf den Ausführungen von Colman Walsh, dem ich an dieser Stelle herzlich danken möchte.

Ich saß als Testmoderatorin neben der Testperson und konnte so bereits während dem Test auf dem Bildschirm beobachten, wie die Testperson mit den Aufgabenstellungen zurechtkommt und wo Probleme auftreten.

Auswahl der Testpersonen

Steve Krug betont in seinem (übrigens sehr empfehlenswerten) Buch "Don't make me think", dass Testpersonen für Usability Tests nicht zwingend Teil der Zielgruppe sein müssen — die meisten Menschen stoßen bei der Benützung einer Website nämlich auf ähnliche Probleme. Krug zufolge liegt die ideale Anzahl von Testpersonen bei drei oder höchstens vier, da die ersten drei Nutzerinnen und Nutzer sehr wahrscheinlich auf die wichtigsten Probleme stoßen werden. Die Probleme, die in der ersten Runde aufgedeckt werden, sollten bis zum nächsten Test behoben werden. So können die nächsten drei Nutzerinnen und Nutzer eine Reihe neuer Probleme aufdecken.

Das Testen von nur drei oder vier Personen ermöglicht auch ein Debriefing am selben Tag, um das Gelernte sofort nutzen zu können. Krug verzichtet aus diesem Grund meist auf die Erstellung von schriftlichen Berichten über Usability-Tests. Er rät stattdessen zu Meetings, während welcher sich das Team einigt, welche Probleme am wichtigsten sind und wie sie behoben werden sollen.

Für meine Usability Tests wählte ich fünf erwachsene Personen aus, die der Zielgruppe des Unternehmens entsprachen. Ich rekrutierte die Personen aus meinem privaten Umfeld und über Empfehlung von Freunden. Zur Belohnung für die Teilnahme am Test schenkte ich ihnen im Anschluss Süßigkeiten.

Usability Tests durchführen Schritt für Schritt

Vor Beginn der Tests erstellte ich ein Session-Skript, das neben den Testaufgaben und den Interviewfragen auch einen kurzen Absatz mit Informationen für die Testpersonen enthielt, die ich ihnen zu Beginn des Tests laut vorlas. Mit diesem Session Skript stellte ich nicht nur sicher, dass alle Testpersonen dieselben Informationen erhielten, sondern ich kann es künftig auch für weitere Tests heranziehen — ich muss lediglich die Testaufgaben und ggf. die Interviewfragen anpassen.

Ich ersuchte die Testpersonen beim Vorlesen des Session Skripts, während der Tests laut zu denken — die sogenannte „Think Aloud“ Methode. So wollte ich Informationen über die Gedanken der Testpersonen während dem Erfüllen der Aufgaben in Erfahrung bringen.

Um die Testpersonen daran zu erinnern, während des Tests laut zu denken, wählte ich eine ungewöhnliche Methode, die ich in dem Forum UX Stack Exchange entdeckt habe: Ein kleines Stofftier wurde vor der Testperson platziert. Die Testperson sollte dem Stofftier erklären, wie sie die Website benutzt und was sie weshalb macht. Da sich das Stofftier direkt im Blickfeld der Testperson befand, wurde sie immer wieder daran erinnert, laut zu denken.

Die Testpersonen testeten die Website entweder auf dem Mobiltelefon oder auf dem Laptop, indem sie drei im Vorhinein definierte Aufgaben erfüllten. Dabei las ich jede Aufgabe einzeln vor und legte sie dann neben die Testperson, falls diese nochmals nachlesen wollte. Die nächste Aufgabe folgte erst, wenn die aktuelle beendet war. Die Reihenfolge der Aufgaben folgte dabei dem Zufallsprinzip — ich mischte die Aufgaben vor jedem Test neu, damit die Einstiegsseiten und das Vorwissen der Testpersonen stets variierten.

Im Anschluss an die Tests befragte ich die Testpersonen zu ihrer subjektiven Erfahrung mit der Website und zu ihrer Internet-Nutzung im Allgemeinen. Das Interview zeichnete ich mittels Sprachmemo-Funktion auf dem iPhone auf.

Zum Abschluss: Meeting mit den Kollegen

Die Ergebnisse der Usability Tests werde ich demnächst in einem Meeting mit den am Website-Relaunch beteiligten Abteilungen und der Geschäftsführung des Unternehmens besprechen, um einen Konsens über die wichtigsten Problemfelder zu erzielen und die nächsten Schritte festzulegen. Gegebenenfalls kann ich spezifische Probleme der Testpersonen während des Meetings durch Ausschnitte der Test-Videos oder Kurzinterviews unterstreichen, denn:

"Where debates about what people like waste time and drain the team’s energy, testing tends to defuse arguments and break impasses by moving the discussion away from the realm of what’s right or wrong and into the realm of what works or doesn’t work. And by opening our eyes to just how varied users’ motivations, perceptions, and responses are, testing makes it hard to keep thinking that all users are like us." (Krug, 2016)

 


 

Weiterführende Literatur

Krug, S. (2006). Don’t make me think! a common sense approach to Web usability (2nd ed). Berkeley, Calif: New Riders Pub.

Rubin, J., & Chisnell, D. (2008). Handbook of usability testing: how to plan, design, and conduct effective tests (2nd ed). Indianapolis, IN: Wiley Pub.

UX Stack Exchange. How do you get users to think aloud? (2016, Dezember 8). Abgerufen von https://ux.stackexchange.com/questions/102332/how-do-you-get-users-to-think-aloud

Walsh, C. (2015, 1. Dezember). A Guide To Simple And Painless Mobile User Testing. Abgerufen am 29. Juli 2018, von https://www.smashingmagazine.com/2015/12/simple-and-painless-mobile-user-testing/